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Das Energiemarktmodell

Ein System Dynamics Modell des Energiemarktes
  • Henning Schneider
    Henning Schneider
    Thursday, February 9, 2017
Eine Einführung in ein Systemdynamikmodell des Energiemarktes
Der Energiemarkt in Deutschland ist mitten in einem Transformationsprozess. Dieser begann mit der Energiemarktliberalisierung 1998 und verstärkte sich durch die Energiewende, insbesondere nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011. Seit 2011 zeichnet sich der Veränderungsprozess durch steigende Wettbewerbsintensität und sinkende Strompreise aus. Drei nachhaltige Trends werden diesen Transformationsprozess zukünftig bestimmen:
  • Der Wandel von einer zentralen konventionellen zu einer erneuerbaren Stromerzeugung (Energiewende) Politisch ist die langfristige Ausrichtung des Energiemarkts durch die Definition des Energiemarkts 2.0, den beschlossenen Atomausstieg bis 2022 und den schrittweisen Ersatz von konventionellen durch regenerative Energieträger (z.B. das Energieziel 2050: 100 % Strom aus erneuerbaren Quellen) vorgegeben. Die damit verbundenen Auswirkungen auf etablierte Geschäftsmodelle von Energieversorgungsunternehmen sind vielfältig und existenziell.
  • Den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage zukünftig gewährleisten In der Vergangenheit folgte das Angebot der Nachfrage. 1990 bedienten Großkraftwerke über 92 % der Stromnachfrage, sodass der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage im Vergleich zu heute einfacher möglich war. Heute schwankt nicht nur die Nachfrage im Tagesverlauf, sondern auch das Angebot. Zu einem immer größeren Anteil ist dies abhängig von den vorherrschenden Wetterbedingungen (Sonne und Wind) und damit schwerer prognostizierbar. Für den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage wird Flexibilität benötigt, die bedarfsgerecht abgerufen werden können muss.
  • Digitalisierung Neue Technologien, insbesondere Kommunikationstechnologien (z.B. Smart Grid) verändern den Energiemarkt und haben Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle und das Verhalten der Akteure auf dem Markt. Zusätzlich treten neue branchenfremde Wettbewerber auf den Energiemarkt und verstärken nochmals die Wettbewerbsintensität. Neue Herausforderungen wie z.B. das Thema IT-Sicherheit müssen adressiert und Antworten gefunden werden.
Die Herausforderung in den nächsten Jahren besteht darin, den Übergangsprozess von der alten in die neue Energiewelt zu meistern. Traditionelle Geschäftsmodelle, die auf Produktion und Verkauf von Energie basieren, müssen kritisch überprüft werden. Neue Geschäftsmodelle, die auf die Erbringung von energienahen Dienstleistungen, Vernetzung und Energiemanagement ausgerichtet sind, müssen entwickelt und in allen Unternehmensbereichen vorangetrieben werden. In den Die Komplexität von Energiemarkt meistern werde ich darstellen, wie man diese neuen Geschäftsmodelle auf dem Energiemarkt strukturiert und zielgerichtet entwickelt und damit nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg erzielen kann.
Hierzu nutze ich unsere Business Prototyping Methodik, um die strategische Ausrichtung auf neue Geschäftsmodelle auf eine solide modellbasierte Grundlage zu stellen (mehr zur Methodik Prototyping von Geschäftsmodellen und Marktstrategien).
Für diesen Blogpost unterscheide ich folgende Schritte:
  1. Wirkungszusammenhänge im Energiemarkt verstehen (dieser Blogpost)
  2. Das Verhalten des Energiemarkts analysieren
  3. Die gewonnenen Erkenntnisse zur Entwicklung von Geschäftsmodellen nutzen

Das Energiemarktmodell

In diesem Kapitel werde ich das Energiemarktmodell schrittweise aufbauen und die entscheidenden Marktakteure und Treiber benennen. Die Ausgangsbasis bildet das folgende Energiemarktmodell, das aus fünf Elementen besteht:
Recognizing Interdependencies in the Energy Market Graph
Die einzelnen Elemente des Energiemarktmodells stehen in Beziehung zueinander (illustriert durch die Pfeile). Solche Diagramme werden Kausalschleifendiagramme („Causal Loop Diagrams“) genannt; sie eignen sich hervorragend zur Skizzierung von komplexen Wirkzusammenhängen.
Das Modell lässt sich in zwei Bereiche aufteilen:
  • Die Nachfrageseite des Energiemarkts ist auf der linken Seite dargestellt. Im vereinfachten Modell wird die Nachfrage durch die Elemente „Nachfrage nach Energie“ und „Energiepreis“ repräsentiert. Die Beziehung dieser beiden Elemente lässt sich wie folgt erklären: Steigende Preise führen zu sinkender Nachfrage (z.B. durch Substitution oder Verzicht). Diese Beziehung wird durch das Minuszeichen am Pfeil dargestellt. Diese Beziehung ist also gegensätzlich. Die Beziehung zwischen Nachfrage und Preis ist eine sich verstärkende Abhängigkeit (Pluszeichen). Sinkt die Nachfrage, sinkt tendenziell auch der Preis.
  • Die Angebotsseite des Energiemarktes ist durch die Elemente „Energiepreis“, „Erzielbare Marge“, „Anreiz in neue Kapazitäten zu investieren“ und „Marktkapazität“ definiert. Steigende Preise führen zu steigenden Margen bei den Erzeugern (+). Steigende Margen führen zu steigendem Anreiz, in neue Kapazitäten auf dem Markt zu investieren (+). Höhere Anreize in neue Kapazitäten zu investieren führen nach einiger Zeit zum Aufbau neuer Marktkapazitäten (+). Neue Kapazitäten bzw. ein höheres Angebot führen bei gleichbleibender Nachfrage zu sinkenden Preisen (-).
Sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite des Energiemarktmodells werden über den Preis ausbalanciert (Ausgleichender Regelkreis, „Balancing Loop“). Dies wird durch das Minuszeichen innerhalb der Kreise symbolisiert.
Nachfolgend werde ich dieses Basismodell um die oben beschriebenen Trends schrittweise ergänzen und dadurch die Besonderheiten des Energiemarkts und den erwähnten Veränderungsprozess herausarbeiten.

Wie verändern erneuerbare Energien den Energiemarkt?

Consider Renewable Energy Graph
Auf dem Energiemarkt gibt es nicht nur konventionelle/fossile Energieträger (z.B. Kohle, Gas) zur Stromerzeugung, sondern auch zunehmend regenerative Quellen (z.B. Wind, Sonne). Im Energiemarktmodell bedeutet das einen weiteren Regelkreis. Dieser ist wie im Basismodell über die Marge, den Anreiz in Kapazitäten zu investieren und die eigentliche regenerative Kapazität (Angebot) definiert.
Erzielbare Margen sind eine zentrale Triebfeder für die Investition auf dem Energiemarkt. Nur bei positiven Margen werden neue Kapazitäten aufgebaut bzw. nur wenn der Anlagenbetreiber positive Margen mit der Stromproduktion erzielen kann, wird er die entsprechende Erzeugungstechnologie zur Stromproduktion nutzen (vgl. Merit-Order). Andernfalls würde man durch die Stromproduktion Geld „verbrennen“. Die Margen lassen sich einfach über den Umsatz minus Kosten berechnen. Die Kosten hängen aber sehr von der Erzeugungstechnologie ab. Kosten lassen sich in operative Kosten und Investitionskosten unterteilen. Erneuerbare Energien haben vernachlässigbare operative Kosten (z.B. Wartung) während die operativen Kosten für konventionelle Energie durch die Brennstoff- und die Zertifikatskosten für CO₂ bestimmt wird.
Im Gegensatz dazu sind die Investitionskosten für erneuerbare Energien deutlich höher (geringere Stromproduktion bzw. Volllaststunden) als bei konventionellen Energieträgern.

Was beeinflusst die Margen erneuerbarer Energien?

Die erzielbaren Margen für erneuerbare Energien unterscheiden sich noch aus einem weiteren Grund von den Margen konventioneller Stromerzeuger. Da ein politischer Wille besteht, die Energieerzeugung langfristig auf erneuerbare Energieträger umzustellen (Energiewende), werden diese staatlich gefördert. Ohne diese Förderung könnten die Anlagenbetreiber kaum positive Margen erzielen (externe Effekte der konventionellen Erzeugung werden nicht betrachtet). Negative Margen bedeuten einen sinkenden Anreiz in Kapazitäten zu investieren und würden den Ausbau erneuerbarer Kapazitäten bremsen oder sogar verhindern. Die Marge für erneuerbare Energien muss daher im Kausalschleifendiagramm um die staatliche Förderung erweitert werden.
The Energy Transition Graph
Wie beschrieben, setzt die staatliche Förderung bei der Marge für erneuerbare Energien an. Das Element „Staatliche Förderung für erneuerbare Energien“ ist eng verbunden mit den Elementen „Anteil erneuerbare Energie“ und „Staatliche Zielvorgabe für den Anteil erneuerbare Energie“. Diese Zielvorgabe ist z.B. durch das oben erwähnte Energieziel 2050 definiert. Durch steigende oder sinkende staatliche Subvention versucht der Staat, die Lücke zwischen tatsächlichem Anteil und der Zielvorgabe für den Anteil erneuerbarer Energien zu schließen.
Das dargestellte Energiemarktmodell bildet die Basis für die nachfolgenden Analysen. Ich hoffe, Ihr Interesse am Energiemarkt geweckt zu haben und dass ich Ihnen die Methodik der Kausalschleifendiagramme zur Analyse von komplexen Zusammenhängen näherbringen konnte.
Zusammenfassung der Erkenntnisse aus dem Energiemarktmodell:
  • Aus welchen Kernelementen der Energiemarkt aufgebaut ist
  • In welcher Beziehung diese Elemente zueinander stehen
  • Erzielbare Margen sind wichtige Treiber auf dem Energiemarkt und definieren mittelfristig das Energieangebot
  • Der Veränderungsprozess auf dem Energiemarkt ist staatlich gewollt und dient dem Ziel, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren